Ein Jahr in Afrika

Freiwilliges Soziales Jahr in Südafrika von Johannes Lichtenthaeler

Erster Brief aus Ikethelo, Zulu Nathal, Südafrika

Seit zwei Wochen lebe ich in Südafrika, ca. eine Autostunde westlich von Durban, wo ich ein freiwilliges soziales Jahr in einem Waisenhaus verbringe.

Schon seit einigen Jahren war es mein Wunsch, nach dem Abitur einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst zu leisten, und Afrika scheint unserer Familie wohl doch im Blut zu liegen. Nach einem sehr aufwändigen und komplizierten Visumsantrag, bei dem eine ganze Reihe meiner Kollegen zunächst gescheitert sind, ging es am 21. August für mich los in mein Projekt. Die Gegend heißt Botha`s Hill und das Projekt Ikhetelo Childrens Village. Es wird von einem australischen Ehepaar geführt und beherbergt zurzeit etwa 52 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 19 Jahren. Die sehr christliche Ausrichtung des Projektes ist allgegenwärtig und soll den Kindern schon früh ein Gefühl von Geborgenheit und Nähe vermitteln.

Während der ersten Tage meines Aufenthaltes durfte ich die Kinder kennenlernen und verschiedene Spenden an Waisenhäuser in der Region, allesamt in Slums, verteilen. Die Zustände dort sind furchtbar, auf der Grundfläche der Hälfte unseres Gemeindesaals leben oftmals 50 Menschen dicht an dicht. Einige der Kinder dort haben tatsächlich keine Eltern mehr, doch viele wurden zuhause seelisch oder körperlich misshandelt und leben aus diesem Grund im Waisenhaus. Das ist auch der Grund wieso man keine Fotos der Kinder veröffentlichen sollte, da der Menschenhandel in Südafrika aktuell floriert und die Eltern der Kinder diese teilweise entführen lassen. Ich will mir gar nicht ausmalen was danach mit den Kindern passiert.

Im Gegensatz dazu steht Ikhetelo: bunt gestrichene Häuser, die jüngeren Kinder teilen sich zu zweit ein Zimmer, während die älteren eines für sich allein haben. Regelmäßige Mahlzeiten, Sportplätze, und zum ersten Mal das Gefühl sicher zu sein, für uns ist das selbstverständlich, hier ist es die absolute Ausnahme. Das Projekt wird größtenteils durch Spenden finanziert und durch die regelmäßigen Zuschüsse vom Staat ist ein Auskommen gesichert, auch wenn das natürlich nicht bedeutet das die Kinder hier in Saus und Braus leben.

Eine „House Mom“ ist für jeweils ein Stockwerk der zweigeschossigen Häuser verantwortlich, damit jedes Kind eine Ansprechperson hat. Die Kinder selbst sind bis mittags in der Schule, und da zwischen dem Heimkehren der Grund-, Mittel- und Oberstufenschüler immer etwa eine Stunde liegt lässt sich die Hausaufgabenbetreuung, die von uns Freiwilligen durchgeführt wird, sehr gut staffeln und es ermöglicht einen einfachen aber effektiven Tagesablauf für uns, die „Volunteers“ im Projekt. Zwischen 8 Uhr morgens und 14 Uhr mittags müssen zwischen 2 und 4 Stunden Freiwilligenarbeit ohne Kinder abgeleistet werden. Dazu gehört beispielsweise das Streichen der Häuser oder das Sortieren der Spenden nach nutzbaren und defekten, sowie was im Projekt bleibt und was an die Armensiedlungen in der Umgebung gespendet wird. Gegen 14 Uhr kommen dann die Kleinsten aus der Schule. Sie haben die kürzeste Hausaufgabenzeit, jedoch brauchen sie am meisten Hilfe.

Danach kommen die etwas Älteren und gegen 17 Uhr kommen die High School Schüler. Da das Schulsystem hier in Südafrika sehr gut ist (wesentlich besser als beispielsweise in Kenia) und ich vieles, was die Kinder hier für ihre Abschlussprüfungen lernen müssen aus meiner Abiturzeit kenne, war mir sehr schnell klar, dass die Älteren wenig Hilfe benötigen da sie für sich selbst lernen. Es kann allerdings sehr gut sein, dass man mit einigen der Jüngeren mehr als 3 Stunden an 2 Arbeitsblättern sitzt. Warum ist das so? Nun ja, das Verständnis von Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft ist noch nicht wirklich bei allen Eltern vorhanden, besonders Frauen aus sehr bildungsfernen Schichten sind sich nicht darüber im Klaren was sie durch Alkoholkonsum anrichten können. Viele Kinder solcher Mütter haben extreme Konzentrationsprobleme und tun sich überhaupt mit dem Lernen schwer.

Wenn wir nach einigen Stunden Hausaufgabenbetreuung zurück in unserer Freiwilligenunterkunft sind, kochen wir meistens gemeinsam und sitzen danach noch stundenlang beisammen und unterhalten uns über alle möglichen Themen. Ich hatte hier die intensivste Diskussion, über den christlichen Glauben die ich jemals erlebt habe, denn obwohl ich aus einer christlichen Familie komme, gab es, wenn überhaupt meist Diskussionen mit ähnlichen Ansichten auf beiden Seiten. Hier habe ich aber ein Gegenüber, das grundlegende Vorstellungen völlig anders sieht und einschätzt als ich selbst. Und dennoch war es ein Gespräch auf absoluter Augenhöhe und ohne jegliche Form der Feindseligkeit.

Wie Sie beim Lesen dieses Textes sicherlich bemerken, bin ich schwer beeindruckt von der Art der Menschen in meiner Region und wie sie mit ihrem Glauben umgehen. Ich persönlich wünsche mir diese Art der Auseinandersetzung mit anderen Formen des christlichen Glaubens oder generell mit Glauben an sich auch in unserer Kirche in Kelsterbach, da ich glaube, dass diese Form der Kommunikation dafür sorgen kann, dass wir uns auch innerhalb unserer Gemeinde wieder näher zu kommen.

Die erste Woche verlief sehr ruhig, aber als das Wochenende kam, konnten wir deutlich kreativer werden, was das Programm für die Kinder anging. Für den ersten Samstag hatten wir ein großes Fußballspiel mit den Kindern, den Freiwilligen, sowie den Mitarbeitern geplant. Trotz hoher Temperaturen hatten alle großen Spaß daran, obwohl keiner die Tore mitzählte. Auch hier stellte ich wieder einen großen Unterschied zum Leben in Deutschland fest: es wurde nicht gegeneinander gespielt, sondern miteinander. Es war kein Wettkampf, in dem ein Team unbedingt gewinnen wollte, sondern ein ausgelassener und fröhlicher Mittag, bei dem jeder Spaß hatte. Für den Abend hatten wir uns noch etwas Besonderes einfallen lassen: ein großes Lagerfeuer mit Stockbrot und Marshmellows. Die Kinder tanzten bis mitten in der Nacht (was in Südafrika etwa halb zehn abends bedeutet) ausgelassen zur Musik. Aus dieser Erfahrung heraus beschlossen wir Freiwilligen, solch einen Abend ab jetzt einmal im Monat stattfinden zu lassen, anstatt wie bisher alle drei oder vier Monate.

Nun bin ich schon einige Tage hier und kann nur staunen, wie sehr ich mich schon eingelebt habe und wie wohl ich mich hier fühle. Das gemeinsame Kochen, das jedes Mal einem Glücksspiel ähnelt, ist eine tolle Möglichkeit, mehr über meine Mitfreiwilligen zu erfahren. Wir verstehen uns sehr gut miteinander und es sind auch schon Ausflüge in die umliegenden Dörfer und Städte geplant. Ob man jetzt nur Nudeln mit Ei oder Hühnchencurry macht ist völlig egal, denn die Gemeinschaft mit anderen, die ähnliche Interessen haben, ist ein so gutes Gefühl, dass das Essen doch glatt zur Nebensache wird.

Doch wenn alles perfekt wäre, würde es ja schnell langweilig und deshalb muss ich auch von den schlechten Dingen um mich herum berichten. Südafrika hat nämlich zurzeit ein enormes Problem: was die AFD in Deutschland gerne hätte, ist hier leider traurige Wirklichkeit. Der Hass auf Fremde ist hier in den letzten Wochen in blinde Wut umgeschlagen. Besonders Menschen, die Mosambikanische oder Simbabwenische Wurzeln haben, werden auf offener Straße angegriffen und teilweise ermordet. Aus Johannesburg und Kapstadt gibt es bestätigte Berichte davon, dass Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Wer sich noch an Ruanda 1994 erinnert und daran, wie es dort ausging, der wird mein mulmiges Gefühl hoffentlich verstehen. Unsere südafrikanische Freiwilligenkoordinatorin erkundigt sich jeden Tag nach unserem Wohlergehen, da die meisten von uns in oder in der Nähe von Slums untergebracht sind. Nehmen Sie sich doch mal die Zeit und recherchieren Sie über das Thema, damit es nicht in Vergessenheit gerät wie die meisten anderen blutigen Unruhen der letzten 30 Jahre.

Zum Abschluss noch etwas zum Nachdenken: wenn ich eine Sache bisher gelernt habe, dann ist es, dass man niemals mit einer vorgefertigten Meinung an irgendetwas herangehen sollte. Bevor ich herkam, hatte ich ein festes Bild von dem was mich hier erwartet und das hat mir die ersten Tage deutlich schwerer gemacht als sie hätten sein müssen, da ich erst einmal vollkommen damit beschäftigt war, meine Vorbehalte, Illusionen, und Erwartungen zu revidieren. Was ich hier beschreibe, lässt sich, denke ich, auf alle neuen Situationen im Leben anwenden. Lassen Sie Unbekanntes auf sich zukommen, was wäre denn das Schlimmste was passieren könnte?

Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen eine gesegnete Woche, ich melde mich wieder in der nächsten Ausgabe des Martinsboten!

Herzlichst, Ihr / Euer

Johannes Lichtenthaeler

To top

Zweiter Brief aus Ikethelo, Zulu Nathal, Südafrika

Inzwischen ist es bereits Ende November, und ich bin schon seit drei Monaten in Südafrika. Als ich noch in Deutschland war, hatte ich mich schon seelische darauf vorbereitet, dass ich nicht mehr so frei sein würde, wenn es beispielsweise ums „Ausgehen“ geht. Für mich wäre es kein Problem gewesen, dass ich um 22:00 zurück in meinem Cottage hätte sein sollen, dieses Jahr ist schließlich nicht da, um jeden Abend zu feiern. Aber was ich als Herausforderung angesehen habe ist, für lange Zeit an einem Fleck zu bleiben. Denn es hieß „die meiste Zeit verbringst du im Kinderdorf mit den Kindern. Ikethelo liegt auf einem kleinen Hügel und ist aus Sicherheitsgründen mit zwei elektrischen Zäunen umzäunt. Einen 2-Minütigen Fußweg entfernt liegen die sogenannten Communitys, wo die Einheimischen leben. Es ist aber unerwünscht, dass wir Freiwilligen dort zu Fuß hingehen, weil eine weiße Person dort zu viel Aufmerksamkeit erregen würde und schnell Probleme bekäme.

In Deutschland war ich eigentlich immer unterwegs. Von der Schule zu Freunden, zur Arbeit, ins Café und wieder in die Schule. Der Gedanke, nicht heraus zu kommen war also etwas, was mir schon in Deutschland Magenschmerzen gebracht hat. Aber so wie vieles hier, ist es nicht so wie ich es erwartet habe. Überwiegend bin ich zwar im Kinderdorf und arbeite, aber wenn ich dann meinen freien Tag habe, nutze ich meistens die Fahrer von Ikethelo. Die Fahrer bringen und holen die die Kinder von den Schulen ab. Außerdem werden hier auch Suppen gekocht und von den Fahrern in verschiedene Einrichtungen in die Community gebracht. Also nutzen wir Freiwilligen meistens diese Fahrten aus und werden von den Fahrern dann in der nächst liegenden Stadt raus gelassen. Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann die Suppen in die Community zu bringen und die Leute aus den Einrichtungen freuen sich immer, wenn ich helfe.

24. September, Heritage day: Erst einmal: was ist der Heritage day überhaupt? An diesem Tag soll in ganz Südafrika der kulturellen Wurzeln gedacht werden, weshalb dieser Tag auch ein nationaler Feiertag und damit frei ist. Jede der Hausmütter hatte ein spezifisches Gericht gekocht, das in der Zulu-Kultur eine lange Tradition hat. Ob Spinat, Rinderinnereien, Hühnchen, Krautsalat oder Maisbrot, die Zuluküche ist sehr vielseitig und kreativ. Genau wie die Küche ist auch die restliche Kultur der Zulu: bunt, kreativ und unglaublich offen. Das durften wir bei einer Tanzeinlage, mehreren Theaterstücken sowie einigen Liedern beobachten, die uns von den Kindern der verschiedenen Altersklassen bei einem Kulturabend präsentiert wurden. Interessant zu beobachten war, dass selbst die Kleinsten die traditionellen Lieder und Tänze bereits kannten, was auf eine enge Beziehung mit den Werten und Traditionen der eigenen Kultur schließen lässt. Zum Abschluss des Tages waren dann meine Fähigkeiten als altgedienter Pfadfinder gefragt: ein Lagerfeuer sollte her. Am Tag zuvor hatte ich mich bereits auf den Weg gemacht, und mit einer Kettensäge einen vor einigen Monaten vom Blitz getroffenen Baum fein säuberlich zerlegt und gestapelt. Das Material nutzte ich dann um einen knapp 1,50m hohen Scheiterhaufen zu errichten, wobei ich abends mehrmals angesprochen wurde, wie ich das denn so geordnet hinbekommen hätte. Zusammen mit Musik, Marshmellows über dem Feuer sowie viel Tanz und Gelächter ging der Abend dann so schön zu Ende wie er auch begonnen hatte.

Bereits am Tag zuvor kamen 16 freiwillige Helfer bei uns an, die während der Ferien ein Programm mit den Kindern durchführen würden. Es waren Mitglieder einer Missionsgesellschafft aus Johannesburg mit Personen im Alter von 9 bis 30 Jahren. Mir war von Anfang an klar das es eine sehr christliche Woche werden würde, doch was ich dann erlebte stellte meine kühnsten Vorstellungen in den Schatten. Frühkindliche christliche Erziehung wird bei den Freiwilligen wohl großgeschrieben, allerdings war es ein wenig extrem. So erzählten sie den kleinsten (4-6 Jahre) dass Musik und Filme gegen Gott sind und sexuelle Gedanken den Teufel anlocken. Ebenfalls seien Computerspiele, die Dämonen beinhalten auch ein Weg, mit dem Teufel in Kontakt zu kommen. Diese Art der Indoktrination kannte ich bisher nur aus dem Geschichtsunterricht, wenn es um die Kirche des Mittelalters ging. Generell irritierte mich die Einstellung, dass die Kinder selbst in ihren Ferien nicht einmal eine Woche Ruhe haben, sondern selbst dann ein festes Programm haben, an dem sie teilnehmen müssen. Selbstverständlich waren die Mitglieder der Missionarsgruppe freundliche und zuvorkommende Menschen, allerdings versuchten sie ihre Thesen durch Spiel und Spaß im Kopf der Kinder zu verewigen, was mich eher an eine Sekte erinnert als an die christliche Kirche, die ich aus Deutschland gewöhnt bin.

Im Laufe der letzten Monate wurde mir einiges klar, zum Beispiel bemerkte ich sehr schnell, dass es nichts für mich ist, ein Jahr lang den genau gleichen Tagesablauf zu haben. Somit kristallisierte sich sehr schnell eine Idee heraus: ich musste ein eigenes Projekt finden, das ich über längere Zeit durchführen kann. Nachdem ich bei einigen Mitarbeitern des Kinderheims um Tipps bat und mir deren Wünsche angehört hatte, kam schnell die Idee auf, eine kleine Hühnerfarm zu errichten. Wieso ausgerechnet das? Ich habe hier in den letzten Monaten festgestellt, dass die Kinder in meinem Projekt eine ungesunde Angst vor Tieren haben. Natürlich leben hier viele giftige Schlangen und Spinnen, jedoch haben die Kinder auch Angst vor Hunden oder Kühen. Da ich bereits bei meiner früheren Arbeitsstelle mit Kindern in einem Lernbauernhof war, wusste ich von dort wie schnell Kinder ihre Angst vor harmlosen Tieren verlieren, wenn sie sich ihnen gegenübersehen. Und das Tier was damals schon zuerst das größte Entsetzen ausgelöst hatte, und am Ende der Liebling von allen wurde war tatsächlich das Huhn. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Kinder lernen, dass Lebensmittel nicht irgendwoher kommen und plötzlich im Geschäft liegen, sondern dass Arbeit und Sorgfalt nötig sind, um sie zu produzieren. Außerdem lernen die Kinder durch die Farm, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, da das Ziel des Projektes ist, dass sich die Kinder bis zum Ende des Jahres komplett eigenständig um die Farm kümmern können. Besonders dieser Aspekt ist bei einigen Kindern hier enorm wichtig und nötig. Ich war sofort Feuer und Flamme für diese Idee, nicht nur weil mein Vater bereits in Kenia ein solches Projekt durchgeführt hat, sondern auch weil ich eher der Grobmotoriker bin und mir deshalb solche Bauprojekte liegen. Als erstes musste natürlich die Finanzierung geklärt werden und nach nicht einmal zwei Tagen hatte ich das Geld zusammen, das ich für alle Materialien benötigte. Der Kirchenvorstand der St. Martinsgemeinde erklärte sich freundlicherweise bereit, einen Betrag dazu zu geben so dass bereits nach wenigen Tagen das Material auf einem Tieflader des lokalen Bauladens angeliefert werden konnte.

Zuerst mussten die Pfosten für den Zaun des Freigeheges in Zement eingegossen werden. Was zuerst einfach klingt war in der Realität ein ganzes Stück Arbeit, da die Erde in meiner Region in Südafrika sehr trocken und hart ist. Das bedeutet, dass ich für 16 Löcher über zwei Tage gebraucht hat. Als das fertig war konnten die Pfosten eingegossen werden. Als Nächstes musste unter dem gesamten Verlauf des Zauns ein Zementsockel gegossen werden, da sich Hühner auch gerne unter dem Zaun durchpicken. Als nächstes haben wir das Loch für das Fundament des Hühnerstalls ausgehoben. Was erneut zuerst sehr einfach klingt stellte sich dann auch wieder als sehr schwierig heraus da wir hier in unserem Projekt keinen Zementmischer haben. Das bedeutet, dass ich den gesamten Zement für das Fundament von Hand an mischen musste. Als das fertig war, begann das Zement rühren. Über fünf Säcke (250 Kilo) Rohzement wurden in zwei Tagen von insgesamt drei Personen inklusive mir gemischt. Allein für das Fundament kam so über eine Tonne Zement zusammen die wir zusammen mit einem Metallgitter eingossen sowie einige Tage später noch mit einem Estrich abdeckten. Nachdem in das Fundament auch die Eckpfeiler eingegossen worden waren konnte ich anfangen, die Holzlatten für die Stallwände an die Pfosten zu nageln. Zurzeit bin ich mit dem Dach des Stalls beschäftigt, eine Tür habe ich ebenfalls bereits gezimmert. Der Stall selbst ist nicht sehr groß, die Hühner werden dort nur die Nacht verbringen. Pro Wohngruppe der Kinder werde ich zunächst zwei bis drei Legehennen anschaffen. Bis Sie diesen Martinsboten in Händen halten sollte auch der Zaun des Freigeheges fertig sein, vielleicht sind sogar schon die Hühner eingezogen, die ich durch „Hühnerpatenschaften“ die Gemeindeglieder der St. Martinsgemeinde übernommen haben anschaffen konnte. Als letztes möchte ich noch ein wenig über Alltägliches schreiben.
Vor kurzem entdeckten wir ganz in der Nähe meines Projektes ein wunderschönes Café, mit dem wohl treffendsten Namen, den man sich hätte ausdenken können: The View. es liegt ganz oben auf dem uns benachbarten Hügel und hat eine wunderbare Aussicht über die Täler dieser Region. Das Café, dass bei den Kindern hier als Pancake Café bekannt ist, hat eine Mischung aus Café und Restaurant Küche zu bieten. Ob Burger, süße oder herzhafte Pfannkuchen, hier ist alles zu finden.

Auch das Musikfestival, das wir Freiwilligen zusammen besucht haben, war eine vielseitige Erfahrung. Auf der einen Seite war es mein erstes Festival im Allgemeinen. Ich war begeistert von der Musik, von den verschiedenen ausgefallen Outfits, vom Tanzen und vor allem vom Essen. Aber hier gab es auch das erste Mal eine Situation, in der ich auf Rassismus gestoßen bin. Beim Einlass ins Festival wurden wir alle durchgewunken bis auf Siphiwe, ein Freiwilliger wie ich, aber mit schwarzer Hautfarbe. Wir hatten alle die gleichen Ausweise, aber bei ihm hieß es, sein Ausweis würde nicht gelten. Wir haben sofort reagiert und mit einem anderen Securityguard innerhalb des Festivals gesprochen, der Siphiwe schließlich eingelassen hat. Es war seltsam und beklemmend, und ich fühlte mich als Weißer beschämt und bekam zumindest den Hauch einer Ahnung davon, wie es hier zu Zeiten der Apartheit zugegangen sein mag.

Nun verabschiede ich mich bis zur nächsten Ausgabe des Martinsboten, und wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Noch habe ich keine Ahnung, wie Weihnachten hier sein wird, aber ich werde sicher fürchterliches Heimweh nach unserer Kirche haben, grüßen Sie bitte an Heiligabend den Zimbelstern von mir.

Herzlichst, Ihr/Euer Johannes Lichtenthaeler

Dritter Brief aus Ikethelo, Zulu Nathal, Südafrika

Liebe Leserin lieber Leser, nun bin ich bereits dabei, meinen dritten Artikel für unseren Martinsboten zu schreiben. So viel ist in der Zwischenzeit passiert, so viele neue Erlebnisse sind auf mich eingeprasselt, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Doch beginnen wir dort, wo wir das letzte Mal aufgehört haben.

Die Arbeiten an meiner Hühnerfarm konnten bis Ende November abgeschlossen werden, so dass am 29. November des vergangenen Jahres 24 Hühner in die von unserer Gemeinde gespendete Hühnerfarm einziehen konnten. Hatten zu dieser Zeit die Küken noch die Größe einer geballten Faust, so wuchsen sie schnell und haben bis zum Erscheinen dieses Martinsboten bereits die 4 bis 5-fache Größe erreicht. Laut dem Hühnerzüchter kann man in 10-15 Wochen schon mit den ersten Eiern rechnen. Seit dem Eintreffen der Küken konnte ich bereits eine Veränderung ihres Verhaltens feststellen. Nicht nur gehen sie schon abends allein in ihr Hühnerhaus zurück sodass ich nur noch die Futtertröge ins Haus stellen muss, nein, ich muss auch morgens nur die Futtertröge rausholen und die Tür öffnen, und schon kommen 24 Hühner auf der Suche nach Sonne aus ihrem Häuschen heraus gewackelt. Zu sehen, dass das Projekt funktioniert und auch von den Kindern, die ganz verrückt nach den Hühnern sind, so gut angenommen wird, ist eine große Erleichterung. Die anfänglichen Zweifel, ob das Projekt tatsächlich in der Form wie ich es mir gedacht hatte funktionieren würde, lösten sich schnell in Luft auf und es ist bei den Kindern inzwischen zu einem begehrten Privileg geworden, mir beim Ausmisten es Stalls und dem Füttern der Hühner helfen zu dürfen. Auch die seltsame Furcht vor Tieren im Allgemeinen hat merklich nachgelassen. Natürlich gab es auch traurige Momente, da ein Huhn durch eine Erkältung gestorben ist. Doch mit Hilfe von entsprechender Medizin und einer Nachbesserung am Hühnerhaus blieb dieser Verlust bisher der Einzige.Meinen Geburtstag am 27. November verbrachten wir Freiwilligen und ein Freund aus Pretoria in Durban, wo wir für drei Tage ein Ferienhaus am Meer gemietet hatten. Nach nun über zweieinhalb Monaten dauerhaften Kontakt mit den Kindern tat es gut, drei Tage am Meer abschalten zu können. Morgens aufzuwachen und auf den Ozean zu schauen sorgte dafür, dass drei Tage Urlaub wie zwei Wochen wirkten. Und ja, da in unserem Projekt absolutes Alkoholverbot herrscht, war es auch eine angenehme Abwechslung zum Abendessen mal ein Glas Wein trinken zu können. Die anfänglich geplanten Tagesausflüge ließen wir am Ende ausfallen, das faul sein war einfach zu schön. Die Rückkehr ins Projekt war danach nicht einfach, da sich in den drei Tagen nichts geändert hatte und manche Kinder genauso anstrengend waren wie zuvor. Dennoch war die Ankunft wunderschön, da wir von einer lachenden Kinderherde empfangen wurden die uns vorwurfsvoll gefragt fragten, wo wir denn so lange gewesen seien. Auf die Antwort, dass wir drei Tage in Durban waren, reagierten die Kinder mit Unverständnis, sie verstanden einfach nicht, was wir da gewollt hatten. Ich sehe das als Zeichen dafür, dass die Kinder uns als Freiwillige akzeptieren und uns gerne um sich haben, was natürlich das Beste ist was passieren konnte.

Weihnachten in Südafrika. Bereits als ich mich für das Auslandsjahr beworben hatte war mir klar, dass dies wohl die schwierigste Zeit werden würde. Seitdem ich mich erinnern kann, war ich nie über Weihnachten ohne meine Familie und ohne die Gottesdienste in meiner Kirche. Also versuchte ich, das Fest hier so traditionell wie möglich zu gestalten. Hierfür lud ich noch andere Freiwillige ein, die in Südafrika eingesetzt sind, doch her zu kommen und mit uns gemeinsam ein möglichst deutsches Weihnachtsfest zu feiern. Drei Freiwillige aus Pretoria und Kapstadt nahmen die Einladung die Weihnachtstage gemeinsam mit uns zu verbringen freudig an. Zu meinem Glück existiert in Hillcrest (20 Minuten von meinem Projekt entfernt) eine deutsche Lutherische Gemeinde. Wir nahmen uns am Heiligen Abend frei und gingen gemeinsam um 17:00 Uhr in den Gottesdienst. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber mich so daheim zu fühlen, das hatte ich mir nicht erlaubt zu hoffen. Nicht nur wurden die Bibel Texte auf Deutsch gelesen, nein auch die Predigt und alle Lieder waren in deutscher Sprache beziehungsweise in Englisch mit deutscher Übersetzung auf der Leinwand. Als dann zum Schluss auch noch „O du fröhliche“ zuerst mit einer Strophe in Englisch und den letzten beiden Strophen auf Deutsch gesungen wurde, war es endgültig um mich geschehen, und auch bei mir die Weihnachtsstimmung trotz 30° Außentemperatur angekommen. Nachdem wir von der Kirche wieder zurück im Projekt waren, bereitete ich ein Fleisch- und Käsefondue vor, sowie einen großen Topf mit Glühwein nach fast originalem Mainzer Rezept, Sternanis war einfach nicht zu bekommen. Nach dem Essen saßen wir dann noch mit allen Freiwilligen um eine weihnachtlich geschmückte Konifere herum zusammen, Tannenbäume gibt es hier leider nicht, dafür einen original Erzgebirgischen Nussknacker und sogar Christbaumkugeln, die gerade richtig zum Fest mit der Post hier ankamen.

Wir tauschten Geschenke, sangen Lieder und genossen leckeren Glühwein in einer wunderbaren Runde. Ich bin mir sicher, dass mir dieses Weihnachtsfest für immer in Erinnerung bleiben wird. Am 25. Dezember stand das Weihnachtsfest für die Kinder an. Da Weihnachten traditionell in Südafrika am 25. Dezember gefeiert wird zunächst eine Andacht gefeiert. Danach sprühte ich meinen Bart mit weißer Farbe an, zog ein entsprechendes Kostüm an und gab für die Kinder den Weihnachtsmann. Da allerdings das Weihnachtsmann Kostüm nicht vollständig war, musste ich das Oberteil durch eine kreative Lösung ersetzen.

Auch Silvester fällt in Südafrika natürlich nicht aus. Nach einem ausgiebigen Grillfest für alle Kinder, dass in meinem Projekt jedes Jahr an Silvester abgehalten wird, fanden wir uns gemeinsam im Freien ein und zündeten schon einige harmlose Feuerwerkskörper, sodass die jüngeren Kinder auch etwas von Silvester haben, da sie nicht bis um Mitternacht auf bleiben dürfen (wir sprechen von dem Alter zwischen vier und sechs Jahre). Um Mitternacht ging es dann richtig los und wir zündeten ein großes Feuerwerk für alle anderen Kinder (unter den Klängen von „Im Schatten des Doms“, wobei das Schönste der Ausblick auf die umliegenden Täler war, da wir auch das Feuerwerk dort sehr schön sehen konnten.

Nun bin ich schon wieder am Ende meines Berichts für den aktuellen Martinsboten angekommen. In den vergangenen Monaten ist so viel passiert, dass ich in den Artikeln immer nur eine kleine Auswahl meiner Erlebnisse wiedergeben kann. Die Zeit hier ist unglaublich wertvoll für mich, niemals zuvor habe ich derart viel über mich selbst und die Welt um mich herum gelernt, und das in so kurzer Zeit. Nun verabschiede ich mich bis zur nächsten Ausgabe des Martinsboten, liebe Grüße aus dem hochsommerlich heißen Südafrika,

Herzlichst, Ihr/Euer Johannes Lichtenthaeler

To top

Vierter Brief aus Ikethelo, Zulu Nathal, Südafrika

Willkommen zurück liebe Leser meiner Reiseberichte.

Es sind nun schon über sechs Monate, die ich in Südafrika verbringe, und seit meinem letzten Bericht ist nun doch so etwas wie Alltag eingekehrt. Es ist nichts besonderes mehr, jeden Morgen zur Arbeit zu gehen, da die Kinder sich an mich gewöhnt haben und meine Aufgaben immer wieder die gleichen sind. Auch das einkaufen gehen in der Stadt ist nur noch Mittel zum Zweck und keine neue Erfahrung mehr. Was zunächst klingt, als sei alles getan, es herrsche Langeweile und ich könnte eigentlich wieder nach Hause fliegen, ist allerdings auch eine positive Erfahrung. Denn gibt es etwas Besseres als diese Normalität während des Auslandsjahrs? Was andere als Langeweile beschreiben mögen, empfinde ich als angekommen sein. Andere brauchen Jahre, bis sie sich in ihrem Job zu Hause fühlen, und ich habe das Glück, das schon nach einem halben Jahr sagen zu können. Da ich bisher noch keine richtigen Ferien hatte, sondern diese erst nach dem Druck des Ihnen vorliegenden Martinsboten beginnen werden, können Sie sich schon auf den nächsten Bericht freuen! Es gab jedoch auch einige erwähnenswerte Erlebnisse, die ich seit dem letzten Martinsboten  hatte. Der dritte Deutsche Freiwillige in unserem Projekt, der nur für ein halbes Jahr hier gearbeitet hat, hat uns vor einigen Wochen verlassen. Zu seinem Abschied entschlossen wir uns, einen nahe gelegenen Safari Park zu besuchen. Was jetzt vielleicht nach weiter Savanne mit vielen Tieren klingt, stellte sich jedoch als Aufzuchtzentrum für Alligatoren, Schlangen und Spinnen heraus. Da ich mit meinen Eltern bereits vorher in Ostafrika verschiedene Safaris unternehmen durfte, war ich glücklich, hier nun etwas für mich ganz Neues zu erleben. Viele der hier betreuten Tiere hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Lebende Vogelspinnen oder schwarze Anakondas sind hier nur einige Beispiele. Wir dürften auch 1 m große Alligatoren auf den Arm nehmen sowie Fotos mit einer um den Hals gelegten Würgeschlange machen. Als wir an einem der Gehege der Alligatoren, die in speziell diesem Gehege schon über 2-3 m lang und einige 100 Kilo schwer waren, vorbeikamen, sahen wir einen Steintisch mit Steinbänken innerhalb dieses Geheges. Auf Nachfrage erklärte uns der Guide, dass dies eine spezielle Herausforderung sei, die das Aufzuchtzentrum anbietet. Man kann sich im nahegelegenen Restaurant etwas bestellen und dieses Essen zusammen mit einem Ranger innerhalb des Geheges, dicht bei den Alligatoren verzehren. Das bedeutet im Klartext, dass man mit Krokodilen und Alligatoren, die das fünffache von einem selbst wiegen und einen mit einem Bissen töten können, zu Abend isst. Ich war natürlich sofort Feuer und Flamme und nach einer kurzen Überredungsphase der anderen, die zuächstnicht so begeistert wirkten, entschlossen wir uns, diese Herausforderung anzunehmen. Die Bilder, die dabei entstanden sind, sehen Sie hier.

Das zweite große Ereignis, war unser nationales „midstay“ Treffen. Die Organisation, mit der ich in Südafrika bin, veranstaltet zur Hälfte des Freiwilligendienstes ein Treffen von allen Freiwilligen dieser Organisation in Südafrika. Man tauscht sich aus, stellt seine Projekte vor, gibt Tipps und Ratschläge und verbringt abends auch einfach Zeit mit anderen Deutschen. Da dies neben meinem Geburtstag das erste Mal war, dass ich für etwas längere Zeit außerhalb meines Projektes war, fühlte es sich trotz der Dauer von nur fünf Tagen an wie ein zweiwöchiger Urlaub.

Auf dem Weg zum midstay, nutzten wir die Möglichkeit, die auf dem Weg liegende Stadt Petermaritzburg, die 1839 von Kapholländischen Voortrekkern gegründet wurde, zu besichtigen. Wir begannen mit der „Nelson Mandela capture site“. Das ist der Ort, an dem Nelson Mandela im August 1952 gefangen genommen wurde, nachdem er über ein Jahr den Behörden entwischen konnte. Hier war sein letzter freier Augenblick bevor er für mehr als 37 Jahre ins Gefängnis musste, da er offen und teilweise auch radikal gegen das Apartheidregime vorgegangen war. Anschließend  besuchten wir den berühmten Bahnhof von Petermaritzburg, an dem Mahatma Gandhi 1893, nach seiner Ankunft in Südafrika, wo er als Anwalt für die farbige Bevölkerung arbeiten wollte, aufgrund seiner Hautfarbe den Zug Richtung Pretoria verlassen musste, da er sich weigerte, die den Weißen vorbehaltene erste Klasse zu verlassen, trotz eines gültigen Tickets. Dieses Erlebnis, so erzählte er später, legte den Grundstein für sein politisches Engagement gegen den Rassismus der englischen Besatzungsmächte in Südafrika, Indien, und all den weiteren kolonialisierten Ländern.

Es war sehr beeindruckend, diese Orte zu besuchen, an denen Weltgeschichte spürbar wird. Zusätzlich schaute ich mir das riesige naturhistorische Museum an, dass wohl eine der größten Sammlungen an präparierten Tieren ausstellt, die ich jemals gesehen habe. Ebenfalls an diesem Tag besuchte ich eine Ausstellung über die ersten europäischen Siedler in Südafrika, bei der auch die Darstellung des Alltags der Rassentrennung während der Apartheid eine große Rolle spielte. Was ich interessant fand, war, dass ich ohne Probleme durch die Innenstadt laufen konnte und mich bis auf eine kurze Ausnahme absolut sicher gefühlt habe. Im Nachhinein erfuhren wir dann aber, dass diese Stadt eine höhere Kriminalitätsrate hat als Johannesburg, Durban oder Kapstadt. Dies unterstreicht meine These, dass wenn man ohne das Wissen über die Kriminalitätsrate in eine Stadt geht, die Angst viel geringer ist und man sich einfach vernünftig verhält, aber keine Furchtsamkeit, sondern Sicherheit ausstrahlt. Wenn einem allerdings gesagt wird, dass die Stadt gefährlich ist, man jeden Moment mit einem Überfall oder einem Messer an der Kehle rechnet, und man sich entsprechend zögerlich bewegt, stößt einem auch mit größerer Wahrscheinlichkeit auch wirklich etwas zu. Alles in allem fand ich, dass dieser Städtetrip wunderschön war, und Petermaritzburg eine der schönsten Städte Südafrikas ist. Besonders zu erwähnen ist übrigens noch das Rathaus der Stadt, das (wer auch immer das gezählt hat) das Gebäude mit den meisten roten Backsteinen in der südlichen Hemisphäre ist. Abgesehen davon ist es aber einfach ein sehr schönes, gut erhaltene historisches Gebäude.

Das midstay Treffen fand in Port St. John’s statt, einer abgelegenen Stadt am Strand der Südost Küste. Die Zeit außerhalb der Seminareinheiten nutzten wir, um Tagesausflüge zu Stränden, Aussichtspunkten oder traditionellen Heilungsplätzen der Naturreligionen Südafrikas zu unternehmen. Alles in allem war diese Woche unglaublich schön und hat mir enorm Spaß gemacht.

Nun begann mein langersehnter Urlaub, den ich nutzen wollte, um das Land zu bereisen und Südafrika besser kennen zu lernen.

Zuerst flog ich von meinem Projekt nach Johannesburg, um dort einen guten Freund aus Deutschland zu treffen, mit dem ich die Reise geplant hatte. Wir besichtigten alle „must haves“ in Pretoria und Johannesburg und besuchten einige ebenfalls aus Deutschland stammende Freiwillige in ihren Projekten in der Region. Nach zwei Tagen flogen wir weiter nach Kapstadt, um dort einen zweiten Freund zu treffen, mit dem wir uns zu dritt das Kap der Guten Hoffnung sowie die Altstadt von Kapstadt anschauten. Auch der Tafelberg war natürlich Teil dieses Städtetrips, wobei wir schnell feststellten, dass obwohl wir die Tickets für die Seilbahn online gekauft hatten, die Warteschlange über 2 Stunden in Anspruch genommen hätte. Das ließ uns zu der Entscheidung kommen, dass wir den Weg hoch zum Berg doch lieber wandern würden. Eine Entscheidung, die ich wenige Minuten später bereuen sollte, als ich merkte, wie unglaublich steil der Weg zum Gipfel war. Allerdings kann ich jedem, der in den nächsten Jahren vorhat nach Kapstadt zu fliegen nur empfehlen, hoch zu wandern: Das Gefühl oben auf dem Plateau zu stehen, nachdem man sich in Straßenschuhen 2 Stunden lang den Berg hinauf gekämpft hat, mit Stufen die teilweise über einen Meter hoch waren ist unglaublich und unbeschreiblich. Der Ausblick über Kapstadt sowie der Sonnenuntergang über dem Ozean waren bisher das schönste Erlebnis was ich in Südafrika hatte.

Ein weiterer Ausflug führte uns von Kapstadt ans Kap der guten Hoffnung, den südlichsten Zipfel Afrikas. Landschaftlich ist das ein wunderschöner Ort, aber wie das oft so ist, leider auch touristisch voll entwickelt. Nach sieben Monaten Alltagsleben in Südafrika war es nun seltsam, wie ein Tourist unterwegs zu sein, nein, das fühlte sich irgendwie nicht richtig an.

Auf dem Rückweg vom Kap der guten Hoffnung erreichte mich eine schockierende und unglaublich unerwartete E-Mail. Meine Entsendeorganisation hatte entschieden, dass alle Freiwilligen aus Deutschland innerhalb der nächsten Tage zurückfliegen mussten da die Sicherheit der Beteiligten aufgrund des Coronavirus so nicht gewährleistet werden könne. Das bedeutete unter anderem, dass die zweite Hälfte meines Urlaubs, während der ich meine Eltern in Kenia besuchen wollte ausfallen würde. Da aber inzwischen nahezu alle Fluggesellschaften in Afrika ihren Betrieb eingestellt hatten wäre ich wohl ohnehin nicht mehr nach Mombasa gekommen. Ich hatte also nur noch einen weiteren Ferientag meines so lange ersehnten Urlaub zur Verfügung, und nutzte ihn mit meinen beiden Freunden an der Garden Route in einem Ferienhaus mit Blick aufs Meer. Von dort flog ich zurück in mein Projekt und packte meine Sachen. Drei Tage später bekamen wir dann die Nachricht welchen Flug wir nehmen mussten und wann wir von unserem Projekt aufbrechen sollten. Das bedeutete, dass wir uns von all den Kindern und Kollegen verabschieden mussten, an die wir uns sieben Monate lang gewöhnt hatten und mit denen wir noch Dinge unternehmen, Zeit verbringen oder Projekte beenden wollten. Das alles kam so plötzlich und ging so schnell, dass ich diese Tage des Abschieds wie in Trance erlebte.

Als wir am Flughafen in Johannesburg auf die anderen Freiwilligen aus Deutschland, die ebenfalls zurück mussten trafen, merkte man wie unglaublich geschockt alle darüber waren wie plötzlich und unerwartet dieses Auslandsjahr nun zu Ende ging. Niemand von uns wollte das Land verlassen, oder zurück nach Deutschland in die Familie. Und das nicht, weil unsere Familien so schrecklich, oder das Heimatland so uninteressant wäre, sondern weil wir uns auf die verbleibenden Monate noch so sehr gefreut hatten. Viele hatten noch Urlaub geplant oder Projekte fertig zu stellen die sie begonnen hatten. Trotz alledem versuchten wir, das Beste daraus zu machen.

Auch wenn der Flug sehr unspektakulär war, waren wir letzten Endes doch glücklich, dass die Unsicherheit bezüglich des Heimfluges ein Ende hatte. Da meine Eltern sich zu dieser Zeit noch in Kenia aufhielten und dort darauf warteten, überhaupt noch aus dem Land zu kommen, kam ich nach sieben Monaten und einem Tag in Kelsterbach in ein leeres Haus zurück, ganz ohne den nach einem Auslandsjahr üblichen Empfang, in ein Land, das weitestgehend zu Stillstand gekommen war, und begann so langsam zu begreifen, dass mein freiwilliges soziales Jahr in Südafrika tatsächlich beendet war.

Was ist nun aus der Distanz einiger tausend Kilometer und einiger Monate, die seit meiner Rückreise vergangen sind, noch besonders erwähnenswert? Zunächst bin ich mir bewusst, dass ich ein Projekt in einer Gegend hatte, die wunderschön ist und dass ich mit Kindern arbeiten durfte, mit denen ich mich sehr gut verstand. Zusätzlich dazu konnte ich eigene Projekte relativ unkompliziert und ohne große Überredungszeit durchführen. Für mich war die Zeit in Südafrika einfach großartig. Ich stehe immer noch in Kontakt zu meinem Projekt, um mich über die neuesten Entwicklungen bezüglich der Hühnerfarm zu informieren und behalte dieses Jahr als das mit Abstand interessanteste und lehrreichste meines ganzen Lebens in positiver Erinnerung.

Als kleines Update: den Hühnern geht es prächtig, Sie haben nun ihre volle Größe erreicht und inzwischen legen sie auch fleissig Eier.

Das war nun der vierte und letzte meiner Briefe aus Südafrika, ich danke Ihnen, dass Sie mich auf meiner Reise begleitet haben und grüße herzlichst

 

Ihr/Euer Johannes Lichtenthaeler

To top