Vierter Brief aus Ikethelo, Zulu Nathal, Südafrika
Willkommen zurück liebe Leser meiner Reiseberichte.
Es sind nun schon über sechs Monate, die ich in Südafrika verbringe, und seit meinem letzten Bericht ist nun doch so etwas wie Alltag eingekehrt. Es ist nichts besonderes mehr, jeden Morgen zur Arbeit zu gehen, da die Kinder sich an mich gewöhnt haben und meine Aufgaben immer wieder die gleichen sind. Auch das einkaufen gehen in der Stadt ist nur noch Mittel zum Zweck und keine neue Erfahrung mehr. Was zunächst klingt, als sei alles getan, es herrsche Langeweile und ich könnte eigentlich wieder nach Hause fliegen, ist allerdings auch eine positive Erfahrung. Denn gibt es etwas Besseres als diese Normalität während des Auslandsjahrs? Was andere als Langeweile beschreiben mögen, empfinde ich als angekommen sein. Andere brauchen Jahre, bis sie sich in ihrem Job zu Hause fühlen, und ich habe das Glück, das schon nach einem halben Jahr sagen zu können. Da ich bisher noch keine richtigen Ferien hatte, sondern diese erst nach dem Druck des Ihnen vorliegenden Martinsboten beginnen werden, können Sie sich schon auf den nächsten Bericht freuen! Es gab jedoch auch einige erwähnenswerte Erlebnisse, die ich seit dem letzten Martinsboten hatte. Der dritte Deutsche Freiwillige in unserem Projekt, der nur für ein halbes Jahr hier gearbeitet hat, hat uns vor einigen Wochen verlassen. Zu seinem Abschied entschlossen wir uns, einen nahe gelegenen Safari Park zu besuchen. Was jetzt vielleicht nach weiter Savanne mit vielen Tieren klingt, stellte sich jedoch als Aufzuchtzentrum für Alligatoren, Schlangen und Spinnen heraus. Da ich mit meinen Eltern bereits vorher in Ostafrika verschiedene Safaris unternehmen durfte, war ich glücklich, hier nun etwas für mich ganz Neues zu erleben. Viele der hier betreuten Tiere hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Lebende Vogelspinnen oder schwarze Anakondas sind hier nur einige Beispiele. Wir dürften auch 1 m große Alligatoren auf den Arm nehmen sowie Fotos mit einer um den Hals gelegten Würgeschlange machen. Als wir an einem der Gehege der Alligatoren, die in speziell diesem Gehege schon über 2-3 m lang und einige 100 Kilo schwer waren, vorbeikamen, sahen wir einen Steintisch mit Steinbänken innerhalb dieses Geheges. Auf Nachfrage erklärte uns der Guide, dass dies eine spezielle Herausforderung sei, die das Aufzuchtzentrum anbietet. Man kann sich im nahegelegenen Restaurant etwas bestellen und dieses Essen zusammen mit einem Ranger innerhalb des Geheges, dicht bei den Alligatoren verzehren. Das bedeutet im Klartext, dass man mit Krokodilen und Alligatoren, die das fünffache von einem selbst wiegen und einen mit einem Bissen töten können, zu Abend isst. Ich war natürlich sofort Feuer und Flamme und nach einer kurzen Überredungsphase der anderen, die zuächstnicht so begeistert wirkten, entschlossen wir uns, diese Herausforderung anzunehmen. Die Bilder, die dabei entstanden sind sehen Sie hier.
Das zweite große Ereignis, war unser nationales „midstay“ Treffen. Die Organisation, mit der ich in Südafrika bin, veranstaltet zur Hälfte des Freiwilligendienstes ein Treffen von allen Freiwilligen dieser Organisation in Südafrika. Man tauscht sich aus, stellt seine Projekte vor, gibt Tipps und Ratschläge und verbringt abends auch einfach Zeit mit anderen Deutschen. Da dies neben meinem Geburtstag das erste Mal war, dass ich für etwas längere Zeit außerhalb meines Projektes war, fühlte es sich trotz der Dauer von nur fünf Tagen an wie ein zweiwöchiger Urlaub.
Auf dem Weg zum midstay, nutzten wir die Möglichkeit, die auf dem Weg liegende Stadt Petermaritzburg, die 1839 von Kapholländischen Voortrekkern gegründet wurde, zu besichtigen. Wir begannen mit der „Nelson Mandela capture site“. Das ist der Ort, an dem Nelson Mandela im August 1952 gefangen genommen wurde, nachdem er über ein Jahr den Behörden entwischen konnte. Hier war sein letzter freier Augenblick bevor er für mehr als 37 Jahre ins Gefängnis musste, da er offen und teilweise auch radikal gegen das Apartheidregime vorgegangen war. Anschließend besuchten wir den berühmten Bahnhof von Petermaritzburg, an dem Mahatma Gandhi 1893, nach seiner Ankunft in Südafrika, wo er als Anwalt für die farbige Bevölkerung arbeiten wollte, aufgrund seiner Hautfarbe den Zug Richtung Pretoria verlassen musste, da er sich weigerte, die den Weißen vorbehaltene erste Klasse zu verlassen, trotz eines gültigen Tickets. Dieses Erlebnis, so erzählte er später, legte den Grundstein für sein politisches Engagement gegen den Rassismus der englischen Besatzungsmächte in Südafrika, Indien, und all den weiteren kolonialisierten Ländern.
Es war sehr beeindruckend, diese Orte zu besuchen, an denen Weltgeschichte spürbar wird. Zusätzlich schaute ich mir das riesige naturhistorische Museum an, dass wohl eine der größten Sammlungen an präparierten Tieren ausstellt, die ich jemals gesehen habe. Ebenfalls an diesem Tag besuchte ich eine Ausstellung über die ersten europäischen Siedler in Südafrika, bei der auch die Darstellung des Alltags der Rassentrennung während der Apartheid eine große Rolle spielte. Was ich interessant fand, war, dass ich ohne Probleme durch die Innenstadt laufen konnte und mich bis auf eine kurze Ausnahme absolut sicher gefühlt habe. Im Nachhinein erfuhren wir dann aber, dass diese Stadt eine höhere Kriminalitätsrate hat als Johannesburg, Durban oder Kapstadt. Dies unterstreicht meine These, dass wenn man ohne das Wissen über die Kriminalitätsrate in eine Stadt geht, die Angst viel geringer ist und man sich einfach vernünftig verhält, aber keine Furchtsamkeit, sondern Sicherheit ausstrahlt. Wenn einem allerdings gesagt wird, dass die Stadt gefährlich ist, man jeden Moment mit einem Überfall oder einem Messer an der Kehle rechnet, und man sich entsprechend zögerlich bewegt, stößt einem auch mit größerer Wahrscheinlichkeit auch wirklich etwas zu. Alles in allem fand ich, dass dieser Städtetrip wunderschön war, und Petermaritzburg eine der schönsten Städte Südafrikas ist. Besonders zu erwähnen ist übrigens noch das Rathaus der Stadt, das (wer auch immer das gezählt hat) das Gebäude mit den meisten roten Backsteinen in der südlichen Hemisphäre ist. Abgesehen davon ist es aber einfach ein sehr schönes, gut erhaltene historisches Gebäude.
Das midstay Treffen fand in Port St. John’s statt, einer abgelegenen Stadt am Strand der Südost Küste. Die Zeit außerhalb der Seminareinheiten nutzten wir, um Tagesausflüge zu Stränden, Aussichtspunkten oder traditionellen Heilungsplätzen der Naturreligionen Südafrikas zu unternehmen. Alles in allem war diese Woche unglaublich schön und hat mir enorm Spaß gemacht. Ich freue mich nun schon auf meinen Urlaub der Mitte März beginnen wird. Ich will in dieser Zeit das Land bereisen und hoffe, dass ich dannn wieder viele interessante Erfahrungen machen kann.
Als kleines Update: den Hühnern geht es prächtig, Sie haben nun ihre volle Größe erreicht und man kann damit rechnen, dass sie in ein bis zwei Monaten anfangen Eier zu legen. Ich hoffe das ich in meiner Zeit in Südafrika noch erleben darf wie die ersten Eier an die Kinder weitergegeben werden. Dies war mein Bericht über die Monate Januar und Februar. Er ist diesmal leider etwas kürzer da in den letzten Monaten nur sehr wenig passiert ist. Ich hoffe, dass ich im nächsten Bericht wieder mehr zu berichten haben werde, und verbleibe mit einem warmen Gruß aus Südafrika!
Herzlichst Ihr/Euer Johannes Lichtenthaeler