Noch mehr Wasser für Kinondo und Umgebung
Brief von Tilman Lichtenthaeler (2018)
Seit Anfang Januar bin ich wieder in Kenia unterwegs, und während der vergangenen zwei Monate konnten wir in und um Kinondo die Arbeit an einigen neuen Projekten beginnen. Keines davon ist bereits ganz fertiggestellt, aber ich will hier einen Zwischenbericht geben. Insgesamt konnten wir uns für dieses Jahr, dank all der Hilfe von Spendern aus der Heimat einiges vornehmen. In Magaoni und Ghandini, zwei Dörfern westlich von Kinondo begannen wir mit der Arbeit an zwei neuen Handpumpenbrunnen. Diese zu graben stellte uns vor einige Herausforderungen, da dort der Untergrund sehr sandig ist, der Boden also beim Graben stets nach zu rutschen droht, weshalb wir während des Grabens einen Brunnenschacht mauern müssen, nach unten! Außerdem liegt dort das Grundwasser sehr tief, die Arbeiten dauern also länger und wir benötigen mehr Material. Das macht die Brunnen natürlich auch teurer, allerdings wird das Wasser dort dringend gebraucht, da das aufgefangene Wasser der Regenzeiten in dem lockeren Boden sehr schnell versickert. Bei einem der Brunnen sind wir bei 22 Metern Tiefe auf Wasser gestoßen. Beim Anderen sind wir bereits bei 27 Metern angekommen, erst jetzt wird der Aushub auch hier endlich feucht, wir werden wahrscheinlich bis auf 31 Meter heruntermüssen. All dies mit einfachstem Gerät (zum Vergleich: unser Kirchturm ist mit Kreuz 23 Meter hoch!). Die Männer, die die Brunnenschächte schlagen, arbeiten ausschließlich mit Hämmern und selbstgeschnitzten Holzschaufeln, wobei die Hämmer mit einem Feuersteinkopf ausgestattet sind. Maschinen kommen überhaupt nicht zum Einsatz. Sie zu mieten kommt uns zu teuer, lieber stellen wir mehr Arbeiter ein und verschaffen ihnen so einen Verdienst. Wird der Brunnenschacht tiefer als die selbstgezimmerten Leitern lang sind, wird der Schachtklopfer an einem Seil heruntergelassen. Sein Kollege zieht dann an dem gleichen Seil immer wieder die mit Aushub gefüllten Eimer aus dem Schacht nach oben, nach einer Stunde wechseln die beiden ihre Positionen. Diesen Aushub, meist ein Gemisch aus Sand und feingeklopftem Korallengestein verwenden wir übrigens, um nach Beimischung von Zement die Fundamente und Fußböden unserer Bauten zu gießen.
Südwestlich von Kinondo, in der Duruma Region entsteht ein weiterer Brunnen, dieser war bereits im vergangenen Jahr begonnen worden und wird in der kommenden Woche erstmals Wasser fördern.
Dieses Jahr ist unser wichtigstes Projekt der weitere Ausbau unserer Farm. Wir haben in Kinondo vor einigen Jahren eine Gemeindefarm angelegt, auf der wir zum einen für die Bevölkerung die Möglichkeit schaffen, auch während der Trockenzeit frisches Gemüse zur Verfügung zu haben, außerdem experimentieren wir mit unterschiedlichen Sorten beispielsweise von Mais, um herauszufinden, welche unter den hiesigen Bedingungen die besten Erträge erzielen. Des Weiteren sollen hier bewusst Überschüsse für den Verkauf von Farmprodukten auf den umliegenden Märkten erzielt werden, diese fließen dem Unterhalt der Brunnen oder der Finanzierung unserer Vorschule zu. In diesem Zusammenhang haben wir auf der Farm auch mit der Gewürzzucht begonnen. Die einheimische Bevölkerung hat sicher andere Bedürfnisse als die Verwendung von Luxusgütern wie Zimt, Koriander, Nelken, Kardamom oder Vanille, aber diese Produkte lassen sich wunderbar in den Lebensmittelgeschäften entlang der Hotelgebiete von Diani Beach verkaufen. Die Einnahmen hieraus werden es uns ermöglichen, mehr begabte Kinder auf weiterführende Schulen zu schicken. Eine weitere Aufgabe der Farm ist, dass wir hier der einheimischen Bevölkerung vermitteln, wie man richtig düngt, dass man Fruchtfolgen beachten muss um ein Auslaugen der Böden zu verhindern (was hier sehr schnell passiert), auch eine möglichst ökologische (und damit preiswerte) Art der Schädlingsbekämpfung unterrichten wir hier. Die Maismühle, die wir im vergangenen Jahr errichtet haben, befindet sich übrigens auch auf dem Areal der Farm, ebenso eine Geflügelfarm, auf der wir Legehennen zur Eierproduktion sowie Masthähnchen halten. Der Mist aus den beiden Ställen dient als kostenloser Dünger für die Farm.
Diese Farm lag bisher relativ offen im Gelände. Nun ist Kenia zurecht berühmt für seine vielen wilden Tiere, und es passiert leider immer wieder, vor allem in der Trockenzeit, wenn alles sonst dürr und trocken ist, dass diese Tiere mit Freuden unsere Farm besuchen. Dort fressen sie nicht nur Teile der Ernte, sie beschädigen auch viele mehrjährige Pflanzen. Zur Beruhigung: wir kämpfen hier nicht mit Elefanten oder Nilpferden, aber auch Warzenschweine, Springböcke, Antilopen oder Dik Diks richten enorme Schäden an. Dank einer großzügigen Einzelspende eines Wiesbadener Geschäftsmannes (ja, ein Mainzer wäre mir lieber gewesen, aber so kleinlich darf man hier nicht sein....) konnten wir in den vergangenen Wochen die Farm mit einer ein Meter und sechzig Zentimeter hohen Steinmauer umgeben, die nun die Tiere abhält.
Vor sechs Jahren hatten wir auf der Farm bereits einen kleinen Tankbrunnen errichtet. Hierzu wurde ein Schacht bis zum Grundwasserniveau gegraben (hier nur 9 Meter tief), ein kleiner Wasserturm mit Wassertank gebaut, und eine Elektropumpe installiert, die das Wasser in den Tank pumpt. Aufgrund des Falldrucks können wir die Farm mit Hilfe von Schläuchen bewässern, und erst dadurch während der Trockenzeit weiter anbauen. Dieser Brunnen erwies sich allerdings schnell als zu leistungsschwach um mit seiner Hilfe das inzwischen größer gewordene Farmareal alleine bewässern könnte. Deshalb haben wir mit dem Bau eines zweiten Tankbrunnens in einem anderen Teil der Farm begonnen (siehe Titelbild), mit einem größeren Tank (3000 Liter) und einem höheren Turm. Dieser Wasserturm, der auf Grund einer privaten Spende ermöglicht wurde, wird wohl in der kommenden Woche fertig werden. Auf der Innenseite entlang der Mauer haben wir zur Erweiterung unserer Baumschule 1300 Kasuarinasetzlinge gepflanzt. Kasuarinas wachsen schnell, haben gerade Stämme und brauchen kaum Wasser. Sie sind das bevorzugte Baumaterial für Wandfachwerk und Dachstühle der ortsüblichen Wohnhäuser.
Da auch die Hühnerfarm inzwischen gut läuft, haben wir mit der Anlage eines Freigeheges begonnen. Dieses Projekt, vor allem seine Überdachung, ohne die es hier wegen der enormen Sonneneinstrahlung nicht geht, werden wir allerdings erst im kommenden Jahr fertigstellen können, weil uns so langsam das Geld ausgeht.
Auch wenn die Leute aus Kinondo wo immer möglich unentgeltlich mitarbeiten, für manche Tätigkeiten müssen wir auch bezahlte Fachleute einsetzen. Diese findet man, indem man morgens zu einem der nächstgelegenen Märkte geht. Dort versammeln sich jeden Tag arbeitssuchende Männer, um sich als Tagelöhner zu verdingen. Fachkräfte gibt es hier für buchstäblich alles, bedenklich nur, dass sich für die unterschiedlichsten Gewerke am Ende immer die gleichen Leute melden.... So ruft man beispielsweise in die Menge, dass man für zwei Wochen fünfundzwanzig Maurergehilfen sucht, handelt mit ihnen die Höhe des Lohnes und die Arbeitsbedingungen aus (das kann ganz schön lange dauern, macht aber allen Spaß) und schon kann das Bauen beginnen, der fällige Arbeitslohn wird täglich ausgezahlt. Wie in vielen anderen Bereichen auch begegnet mir hier eine woanders längst entschwundene Welt. Durch den Einsatz bezahlter „Fachleute“ haben wir in diesem Jahr über bisher acht Wochen bis zu 30 Arbeiter in Lohn und Brot bringen können.
Auch von den abgeschlossenen Projekten ist meist Gutes zu berichten, so ernähren das Fischerboot und das Fischgeschäft inzwischen weit über 100 Menschen, außerdem wurde die oft arg einseitig kohlenhydratlastige Ernährung der Bevölkerung durch die Fischerei sehr viel eiweißreicher.
Die Schneiderei hat gut zu tun, und in der vergangenen Woche konnten wir eine neue Auszubildende einstellen.
Die Vorschule leistet ebenfalls gute Arbeit, zurzeit betreuen wir hier knapp 100 Kinder, die hier verschiedene Fingerfertigleiten, aber auch beispielsweise Grundkenntnisse in Hygieneerziehung und Englisch erwerben.
Auch die Maismühle wird bereits in ihrem ersten Jahr sehr gut angenommen.
Ein wenig Sorge macht uns das Schreinereiprojekt. Außer Fensterrahmen zur Befestigung von Moskitodraht gibt es hier kaum Aufträge, die politischen Unsicherheiten im Land sorgen dafür, dass wirklich nur für das Allernötigste Geld vorhanden ist, und da haben Möbel nicht oberste Priorität.
Sie sehen, neben den neu zu bearbeitenden Projekten gilt es, auch die bereits fertiggestellten weiter zu begleiten. Wir haben also in den kommenden Wochen noch einiges zu tun, aber wenn Sie den neuesten Martinsboten Ende März in Händen halten, werden wir wohl alle aktuellen Projekte abgeschlossen haben, und wenn ich am achten April wieder nach Kelsterbach zurückkomme, dann einmal mehr voller Dankbarkeit für all die Unterstützung, die uns die Arbeit in Kenia überhaupt erst ermöglicht. Einmal mehr werde ich dann voller Freude einen Brunnen eingeweiht haben, auf dem zu lesen sein wird, dass er von meiner Gemeinde gespendet wurde (Danke vor allem an alle die, die sich auch von Schneetreiben und Glätte nicht vom Besuch unseres Weihnachtsmarktes abhalten ließen). Und wie immer werde ich auf dem Rückflug ins dann hoffentlich nicht mehr ganz so eisige Europa alles Erreichte Revue passieren lassen und hoffen, dass sich auch für das kommende Jahr wieder Menschen finden, die uns bei unserer Hilfe zur Selbsthilfe in Kinondo unterstützen werden. Denn auch in Zukunft wird es hier und in den umliegenden Orten noch viel zu tun geben.